Der Mensch liebt es, den Blick weit in die Zukunft zu richten. Er malt sich Schreckensszenarien aus, projiziert Science-Fiction-Kriege in das nächste Jahrhundert, schlägt sich vor Angst und Entsetzen die Hände über dem Kopf zusammen. Auf der anderen Seite träumt er von einer Welt, in der er sich technisch und moralisch auf ein neues Level begibt. Die Prophezeiung: Fortschritt auf jeder Ebene; ein „Flow“ zwischen Mensch und Maschine, Tag für Tag, Minute für Minute, Sekunde für Sekunde. Der Zauberbegriff, der in diesem Zusammenhang immer wieder fällt: „Künstliche Intelligenz“.
Zugegeben: Die Fortschritte in der Künstlichen Intelligenz sind beträchtlich. Innovationen werden binnen weniger Monate lanciert, eine massive Weiterentwicklung von Maschinen und Anwendungen durch „Super Brains“, hochspezialisierte Informatiker und Ingenieure, vorangetrieben. Erkenntnisse in den Themenfeldern Big Data und Analytics und die Verfeinerung von sensomotorischen Möglichkeiten münden in fulminanten Programmen, die im „Internet der Dinge“ ihre Geltung finden. Beispiele für innovative Anwendungen sind intelligente Sprachassistenten, die Online-Kunden auf ihrer Customer Journey begleiten. Der virtuelle Berater „IamBot“ verarbeitet hochgeladene Fotos von Kleidungsstücken und teilt dem Nutzer mit, in welchem Geschäft er ähnliche Produkte findet. Die gesamte Mobilität wird autonom: Autos, die punktgenau Kurven berechnen, Flugzeuge, die von alleine abheben, Städte, Wälder und Berge passieren, und wieder landen. Dass bei Testversuchen fatalerweise auch etwas schief laufen kann, zeigt der tödliche Unfall mit einem autonomen Uber-Auto, bei dem der Computer Sensordaten als Fehlalarm eingestuft hat.
Alles schön, gut und spektakulär. Doch kann es sein, dass die unangemessen euphorischen Diskussionen um Künstliche Intelligenz unsere Sinne vernebeln? Dass wir vor lauter Maschinen, Algorithmen und angeblichen Möglichkeiten gar nicht mehr klar urteilen können; weil wir erwarten, dass smarte Technologien ohnehin alle kommenden Herausforderungen zu lösen im Stande sind? Wir sind im Begriff, unser zielorientiertes Denkvermögen leichtsinnig über Bord zu werfen und im Ozean der Datengläubigkeit zu kentern. Kaum jemand macht sich noch die Mühe, zu überlegen, was den Menschen im Kern ausmacht, welche Potenziale ausschließlich ihm innewohnen, nicht dem kühlen Blech oder der kalkulierten Programmierung. Mit der „Künstlichen-Intelligenz-Lüge“ meine ich genau das: die ungerechtfertigt einseitige Fokussierung auf das Artifizielle, und die schwindende Fähigkeit, typisch menschliche Stärken zu überprüfen.
Wer sich Zeit nimmt, über Alleinstellungsmerkmale des Menschen nachzudenken, wird auf zwei zentrale Eigenschaften stoßen: Sensibilität und Kreativität. Eine Maschine verfügt nicht über ein Bewusstsein, sie kann sich nicht in andere Maschinen oder Menschen hineinversetzen. Sie mag tröstend reagieren können – etwa mit einer ausgestreckten Roboterhand –, wenn sie Tränen erkennt, doch sie kann kaum einschätzen, ob diese Tränen Zeugnis von Glück oder Trauer sind. Außerdem: Wie muss es sich für jemanden, der gerade einen Schicksalsschlag erlitten hat, anfühlen, von Fingern, geformt aus menschlicher Konsistenz, gestreichelt zu werden – untermalt von mechanischen Geräuschen? Ein schauerlicher Gedanke. Der Mensch benötigt andere Menschen, um Gefühle interpretieren und tiefe Beziehungen aufbauen zu können. Genau diese Beziehungen sind ursächlich für Motivation, Vision und Umwälzung.
Maschinen sind nicht nur empathielos, sondern auch ausgesprochen schlecht darin, um die Ecke zu denken. Zwar bringen Künstliche Intelligenzen Bilder oder Musik hervor, doch es handelt sich dabei nicht um innovative, transformative Neuentwicklungen. Wenn ein Deep-Learning-System in einem bestimmten Stil ein Bild malt, dann scannt es viele Werke, überträgt deren Charakteristika in Zahlenreihen, identifiziert Zusammenhänge und schafft darüber etwas Neues mit ähnlichen Mustern. Existierendes wird anders „abgemischt“. Algorithmen fehlt die Reflexion von sozialen, gesellschaftlichen und emotionalen Einflüssen; sie besitzen keine unterbewusste Ebene.
Grundlage für erfolgreiche Erfindungen und Entwicklungen ist die Ausschöpfung kreativer Potenziale. Innovationen wiederum stellen entscheidende Faktoren im Wettbewerb dar. Kreative Persönlichkeiten beherrschen die Fähigkeit, divergentes und konvergentes Denken zu kombinieren, ohne dabei den konzeptuellen Rahmen und die Zielerreichung aus dem Auge zu verlieren. Nachweislich beruht Kreativität in weiten Teilen auf personenspezifischen und somit unkopierbaren Eigenschaften wie Originalität, Optimismus, Offenheit, Denkfreiheit, Neugier oder Gedankenflüssigkeit. Die Balance zwischen thematischer Nähe und Distanz zeichnet kreative Persönlichkeiten aus – feine Abwägungsprozesse, vor denen Künstliche Intelligenzen kapitulieren.
Die DNA der Maschinen glüht nicht hell genug, um dem Menschen Konkurrenz zu machen. Grenzen und Beschränkungen kennzeichnen scheinbar kluge Anwendungen und Programme. Und trotzdem nehmen sie uns die Arbeitsplätze weg. Stephen Hawking hatte Recht, als er anmahnte, dass die Technifizierung der Arbeitswelt gefährlich rastlos vonstattengeht. Menschen verlieren ihre Jobs schneller als alternative Technologien neue Arbeitsplätze schaffen können. Das Tempo der Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt beträgt oft nur wenige Jahre. Die Aufgabe besteht folglich darin, den Fokus von den überbewerteten Künstlichen Intelligenzen wegzulenken, hin zu einer Kompetenz der „Menschenressourcen“-Identifizierung. Das sind wir uns schuldig.
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